Solidarische Landwirtschaft: Für einen neuen Umgang mit der Natur, den Menschen und dem Geld

Heike Pourian erklärt die Grundprinzipien einer fürsorgenden Wirtschaft und wie Solawis dazu beitragen. Ausschnitt aus dem Film Beitragsrunden, Heike Pourian, Wegwarte

Solawis erproben ein solidarisches und fürsorgendes Wirtschaften. Damit ist ein Kulturwandel verbunden – und eine große Chance zum Üben und Feiern, sagt Heike Pourian

Zwei Vorträge und einen Film haben die Naturfreunde Wetzlar mit der Transformationsforscherin und Bewegungspädagogin Heike Pourian organisiert. In den Vorträgen geht es um einen Wirtschafts- und Haltungswandel. Weg von einer Wirtschaft, die Profite maximiert auf Kosten von Mensch und Natur, hin zu einer Wirtschaft, die fürsorglich mit dem Leben und der Erde umgeht.

Eine neue Landwirtschaft möglich machen

Die Solidarische Landwirtschaft – kurz Solawi birgt für Heike Pourian ein großes Potential, um neue Formen des Wirtschaftens zu erkunden, das fürsorgende Wirtschaften. Denn bei Solawis geht es nicht darum, dass die Böden maximale Erträge bringen oder die Produktion möglichst viel Gewinn abwirft. Die Mitglieder ermöglichen mit ihren Beiträgen, dass Menschen den Hoforganismus als Ganzes im Blick haben können und eine regenerative Landwirtschaft betreiben. Erst im zweiten Schritt geht es darum, dass die Mitglieder Gemüse bekommen.
Geld als Mittel zum Wandel

Üblicherweise verbinden wir mit dem Vorgang des Kaufens ein Tauschgeschäft, erklärt Pourian: Man gibt Geld für eine Sache und ist quitt. In der Regel hat man auch keine Beziehung zu dem anderen Menschen. In einer solidarischen Landwirtschaft ist es anders. Einmal im Jahr gibt es eine Beitragsrunde. Die Mitglieder ermöglichen mit ihren Monatsbeiträgen, dass die Gärtnernden gut leben und arbeiten können. Das ist etwas anderes als Gemüse zu kaufen, das unter ausbeuterischen Verhältnissen und unter Preisdruck entstanden ist. Diese Vergleichslogik müssen wir verlassen, meint die Transformationsforscherin. Sie macht den Gärtnernden in Solawis Mut, dass sie in der Beitragsrunde aufrichtig benennen, was sie brauchen, um gut leben zu können.

Gerecht ist nicht, wenn alle das Gleiche zahlen

Heike Pourian plädiert auch dafür, dass Solawi-Mitglieder ganz unterschiedliche Monatsbeiträge leisten. Denn die Voraussetzungen der Mitglieder sind unterschiedlich. Für manche Personen reicht das Geld trotz einer ganzen Stelle nicht bis zum Monatsende, andere müssen von einem Gehalt mehrere Personen finanzieren. Die Beiträge der Mitglieder dürften sich ruhig um den Faktor 10 unterscheiden, meint Pourian. Damit entsprechend sie etwas mehr den unterschiedlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Menschen entsprechen. Denn Gerechtigkeit ist etwas anderes als Gleichmachung.

Naturfreunde Wetzlar – Mit Liebe zur Natur seit über 80 Jahren

Die NaturFreunde Deutschlands sind ein politischer Freizeitverband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur. Die Naturfreunde Wetzlar gibt es schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie brachten schon vielen Menschen jeden Alters die Liebe zur Natur und deren Bewahrung nahe. Seit 2018 organisiert das Team im Wetzlarer Naturfreundehaus Veranstaltungen zu Nachhaltigkeitsthemen wie Treffen der Fridays for Future-Gruppe, zur Verkehrswende und zu nachhaltiger, klimafreundlicher Landwirtschaft. Gute, regionale, ökologische Lebensmittel liegen den Naturfreunden Wetzlar sehr am Herzen. Auch Ernährungssouveränität ist ihnen ein wichtiges Anliegen.

Interview mit Simone Ott, Organisatorin der Veranstaltungen

Was war ein besonderer Moment bei den Veranstaltungen?

Für mich war schön, zu sehen, wie der Vortrag die Menschen berührt hat. Es war so, wie ich es mir erhofft hatte. In Wetzlar zum Beispiel waren die beiden Betriebsleiter*innen der benachbarten Solawi da. Ihnen ist noch einmal bewusst geworden, welche Bedeutung ihre Arbeit für die Ernährungswende hat, und wie innovativ und wegweisend das ist, was sie tun. Auch einigen Privatpersonen ist klar geworden, dass man selber einen Beitrag leisten und zu den eigenen Werten stehen kann.

Wenn jemand dieses Projekt nachmachen will, welche Erfahrungen oder Tipps können Sie weitergeben?

Das lässt sich gut wiederholen. Wichtig sind gute Werbung und ein passender Raum. Das Video ist auf youtube eingestellt und wird auf der Webseite des Netzwerk Solidarische Landwirtschaft veröffentlicht. Es kann jetzt mit vielen Menschen geteilt werden.

Was ist Ihre Motivation oder vielleicht auch Ihr Erfolgsgeheimnis?

Ich würde sagen, gute Kooperation und Vertrauen untereinander. Wir hatten ja den Vortrag in verschiedenen Städten und jede Stadt hat das für sich organisiert. Es lief auf Zuruf, denn ich kenne die Leute und kann mich auf sie verlassen. Das ist eine große Stärke des Solawi-Netzwerks.

Wenn viele Menschen diese Idee umsetzen würden, wie sähe die Welt dann aus? Und was bräuchte es dafür?

Dann hätten wir eine regionale Vollversorgung in unserer Gegend und müssten uns nicht mehr so viele Gedanken über die Ernährungswende machen. Es gäbe keine Massentierhaltung mehr, keine Monokultur, keine erodierende Böden.

Weiterführende Links:

Text und Interview: Gesa Maschkowski

Ausschnitt des Veranstaltungsplakates zum Vortrag Haltungswandel. Naturfreunde Wetzlar

In einer solidarischen Landwirtschaft werden die Arbeit und die Betriebsmittel finanziert, nicht die Ernte. Ausschnitt des Films „Beitragsrunden“. Heike Pourian, Wegwarte